Dass das Jacaranda Ensemble
überhaupt nach China eingeladen wurde, ist dem Spürsinn der
Agentur AAC.Berlin
zu verdanken, die unseren Wettbewerbsbeitrag zur Creole 2006 in Berlin
erlebt
hatte. Bestätigt durch unsere Preisträgerschaft, lud sie uns
noch im Herbst
2007 zu dieser einer Konzertreise ein. Es war auch für die
Agentur ein
spannendes Experiment festzustellen, mit welcher Begeisterung das
chinesische
Publikum auf unsere Art der Weltmusik reagieren würde.
Unsere erste Station führte uns nach Tianjin, der
drittgrößten chinesischen
Stadt mit 13 Mio. Einw., ca. 150 km südöstlich von Peking am
Chinesischen Meer
gelegen und so, der "Hafen" der Hauptstadt.
Schon auf der fast
dreistündigen Busfahrt von Peking, durch eine
völlig plane
Landschaft mit rechteckigen "Seen", die der Fischzucht dienen und
"gequirlt", also extra belüftet werden müssen, bekamen wir
einen
Vorgeschmack auf das völlig Künstliche, Kulissenhafte und
etwas Unwirkliche
dieser, in der Geschichte Chinas bedeutsam gewordenen Stadt. Tianjin
empfing
uns im typischen Gegensatz aus großstädtischer
Geschäftigkeit und Chic und
kieziger Ruhe und Nachlässigkeit. Eine Stadt, die in ein ewiges,
schwüles,
dunstiges Zwielicht getaucht ist und von riesigen Autobahnen
zusammengehalten
wird, deren Seiten gegen kreuzende Passanten mit Stacheldraht versehen
sind und
die über die Häuser hinweggebaut wurde. Die Ausmaße
sind wie stets gewaltig und
unser Hotel, der Konzerthalle unmittelbar angeschlossen, befand sich
zwar nach
chinesischen Relationen nahe des, durch die europäischen
Kolonisatoren
geprägten Innenstadt. Doch war das immer noch ein Fußweg von
über einer Stunde.
Die Konzerthalle und unser Hotel (in dem das Personal allmorgendlich
nach dem
Frühstück der Gäste zum Appell antreten musste) liegen
am Rand eines gewaltigen
Parks mit Vergnügungspark, Riesenrad und einem riesigen
"Jugendkulturpalast".
Wir hatten kaum Zeit uns zu
akklimatisieren: ob an die drückende chinesische
Sommerhitze, die nur in den allseits klimatisierten Räumen zu
ertragen war, als
auch an die uns oft rätselhafte Mentalität und skurrilen
Umstände, wie z.B.
rückwärts zu tretende Fahrräder.
Dass die Wahl des Managements deshalb auf Tianjin als unserer ersten
Station
fiel, weil es unter allen denkbaren Auftrittsorten als die Stadt mit dem
schwierigsten Publikum gilt, erfuhren wir allerdings erst nach dem
Konzert vor
rund 1000 begeisterten Zuhörern.
Ein weiterer Grund für die Wahl Tianjins liegt in dem Umstand,
dass es als
Metropole über mehrere Orchester und eine Musikhochschule verfügt, und somit
das Spektrum der Stellen, bei denen wir ein Teil unsers
Instrumentariums
ausleihen mussten, sehr groß war.
Was das Management dabei
möglich machte, ließ uns nur Staunen: Es wurden uns zum
Auswählen verschiedene Marimbaphone, Vibraphone, Gongs und mehrere Sätze
Trommeln und Pauken in drei- bis vierfacher Ausführung
bereitgestellt! Zusätzlich
konnten wir im Aufbau mit traditionell chinesischem Schlagwerk
improvisierten,
welches aus Experimentierlust wir dann auch am Konzertabend einsetzten.
Zum besseren
Verständnis unserer Musik hatte die Agentur eine bekannte
TV-Moderatorin engagiert, die mit kurzen assoziativen Texten das
Publikum auf
die, in China völlig unbekannte Art, der Weltmusik einstimmte.
Originell war
dabei, dass sie ihren Text zwar inhaltlich flott erstellte, ihn dann
aber fast 2 Stunden in der komplizierten chinesischen Sprachmelodie
übte, fast wie eine
Sängerin.
Auf Bitten unseres Tourmanagers, hatten wir zwei chinesische
Volkslieder als Gastgeschenk ins Programm aufgenommen, die das Publikum
zu spontanem Beifall während der ersten Töne hinriss. (Eine
Steigerung
dieser Begeisterung
erlebten wir dann noch in Daging, unserer 2.Station, wo das Publikum
die
betreffenden Lieder sogar mitsang!)
Nach unserem Eröffnungskonzert in Tianjin wurden wir zu einem
Empfang des
deutschen Unternehmerkreises, dem sich auch Holländer und
Engländer
angeschlossen hatten, eingeladen. Die kleine europäische Community
sieht sich
selbst nur selten und nutzt freudig die Gelegenheiten, sich zu treffen.
So
stifteten wir schon am ersten Konzertabend Verbindungen, wenn auch bei
Menschen, die wir nicht vermutet hätten.
Den darauf folgenden Tag nutzten wir uns einzugewöhnen und
besuchten den
eigentlichen Hafen von Tianjin, Huajin, selbst wiederum eine
eigenständige
Millionenstadt. Und waren auf der Suche nach Möglichkeiten,
über das Internet
Verbindung mit der Heimat aufzunehmen. Was sich als weit schwieriger
herausstellte, als befürchtet. Die wenigen Internetcafés,
die es gibt, werden
von hunderten Jugendlicher zum Online-Spielen benutzt. Der Aufbau der
deutschen
Seiten aber ging auf Grund der chinesischen Zensur qualvoll langsam und
gestört
vor sich.
Doch viel Zeit blieb uns ohnehin nicht. Nach diesem einen Tag Atempause
ging es
hoch in den Norden Chinas, nach Daqing, einer Steppenstadt von der
Größe
Hessens, die von der Erdölförderung lebt. Immerhin hat
Daqing, wo die Einwohner
mehr Platz pro Kopf haben als in jeder anderen Stadt Chinas, die
höchste Dichte
ein Klavier besitzender Haushalte, wie uns der Kulturbeauftragte der
Stadt
stolz erzählte.
Es war eine weite und beschwerliche Reise, bei der sich an den
1,5 stündigen
Flug eine 4 stündige Busfahrt durch eine immer öder werdende
Gegend anschloss.
Bis plötzlich Weitauseinander liegende Neubauten und breiteste
Avenuen in der
Steppe auftauchen und man den Rand einer der 8 Teilstädte erreicht
hat. Und
während wir durch sie hindurch fuhren hatten wir den Eindruck, nie
eine Mitte
zu erreichen. Und überall stehen die Ölpumpen. Sogar vor
Wohnblöcken, mitten in
der Stadt, nicken sie stumm und stur vor sich hin.
Während des folgenden Tages bildete der Besuch bei "Golen Hansis
Bier
House" das touristische Highlight. Der Besitzer kam extra dazu, um sich
mit seinen ersten weißen, sogar deutschen Gästen
fotografieren zu lassen. Außer
seinem ausgezeichneten selbstgebrauten Bier; jedoch ähnelte das
Lokal eher einem
Texaner. Was wir als unser Vermächtnis dafür
hinterließen, war das schräge
Eingießen des Bieres, das wir auf Wunsch des Besitzers mehrfach
dem Personal
vorführen mussten, denn die Methode, die Gläser aus hohem
Bogen mit dem Krug zu
befüllen, führt natürlich nur zu Schaum.
Der abendliche Empfang, den die Agentur organisiert hatte, führte
uns wieder die hohe Anbindung und Wertschätzung unserer Reise vor
Augen, denn sie
trug, trotz des späteren gemeinsamen Singens und der privatimen
Vorführung
unserer Alphörner durch die Anwesenheit, sowohl des
Kultusministers, als auch
verschiedener Manager und Vertreter chinesischer Kultureinrichtungen
und
Behörden der Gouverneursverwaltung, als auch der Stadt Daqing
hochoffiziellen
Charakter.
Der chinesische Wein, wie sie es nennen und der eigentlich ein
ganz harter
Schnaps ist, lockerte die Runde und wir ließen uns das offizielle
Daqing-Lied,
die Hymne der Stadt, vorsingen und nahmen sie für den Konzertabend
als Reverenz
an unsere Gastgeber in unser Programm auf, was zu den stehenden
Ovationen, dem
mitsingenden Publikum und endlosem Autogrammgeben führte.
So erfolgreich das Konzert, so überschäumend die Begeisterung
beim Empfang
danach, es blieb keine Zeit den Abend zu genießen, da wir in der
Nacht um 3 Uhr
die Reise nach Ningbo antraten.
Das Management hatte auf Grund der heftigen Wüstenstürme und
Gewitter, deren
Zeuge wir geworden waren und die in Daqing nur äußerst
selten auftreten, die
Befürchtung, den Abflug für die weite Reise von 3000 km zu
verpassen.
Eine Busfahrt von 4 Stunden durch
die morgendliche, nasse Steppe zum
Flughafen
Herbin, von dem wir wegen der Unwetter nicht pünktlich starteten,
ein
2,5 stündiger Flug in die Mitte des Landes, nach Shanghai und eine
sich daran
anschließende 5 stündige Busfahrt um die Bucht von Shanghai
herum in das weit
östlich gelegene, ältere und tropische Ningbo, der Hafenstadt
Chinas für den
Japanhandel. Eine völlig andere Stadt, als das weitläufige
Daqing, mit
gepflegten Straßen, wunderschönen, üppigen Alleen und
Parks. Eine Stadt voller
historischer Hinterlassenschaften der Kaiserzeit und der Portugiesen.
Aber all das sahen wir nur im Vorbeifahren während der abendlichen
Rushhour,
denn unsere Zeit bis zum Konzert begann wegen des verzögerten
Abflugs aus
Herbin und wegen der Staus um Shanghai knapp zu werden.
Kamen wir schon spät, kamen unsere bestellten Instrumente noch
später und so
schrieb der Manager des Ningbo Theatre kurzerhand ein Plakat mit
korrigiertem
Beginn, stellte es neben unseren überlebensgroßen
Plakatwänden. Kurzerhand
wurde unser Bühnenaufbau für die entspannt wartenden
Zuhörer zu einem
zusätzlichen Bestandteil unseres Auftritts, den es auch schon mit
Interesse und
Beifall begleitete.
Völlig erschöpft nach diesem überlangen Tag fuhren wir
nur noch ins Hotel, die
Abreise nach Shanghai am nächsten Morgen vor Augen. Nicht ohne
jedoch über die
völlig andere Art der Werbung für uns in Südchina mit
riesigen Transparenten,
zu staunen. Mittlerweile hatten wir uns auch die Zeichenfolge unseres
Namens
gemerkt. Was sie allerdings bedeutet, entzieht sich uns heute noch. So,
wie die
sprachliche Barriere gewaltig ist und blieb und je länger die
Reise dauerte
desto hinderlicher wurde.
Eine einfache Frage wie zum
Beispiel „Wann ist die Abfahrt vom Hotel zum Konzertsaal?“ (auf
Englisch) an
unseren Agenten, der diese (in einem freundlichen Chinesisch) an den
Tourmanager
weiter gab und dieser wiederum, in einem energisch betonten Chinesisch
an den
Konzertveranstalter, dieser dann wieder per Handy an eine weitere
Person (in
einem schreiend, schimpfenden Chinesisch), konnte eine heftige
mehrstündige
Diskussion auslösen. Das Ergebnis dieses Gesprächs-Chaos
lautete am Ende, lakonisch
freundlich Übersetzt: "Wir denken nach.", oder "Wir haben
verstanden.".